Innerdeutsche Grenze bei Tann (Rhön): Foto r3/hb
Innerdeutsche Grenze bei Tann (Rhön) 1976. Foto: Herbert Bruxmeier

Achtung Zonengrenze: Spurensuche im Ulstertal in der Rhön

Eine Reisebroschüre, eine Karte und offene Augen – mehr braucht es nicht für die Spurensuche. Durchqueren wollen wir einen Teil des Ulstertals in der Rhön, das die Bundesländer Hessen und Thüringen durchzieht.

Von Herbert Bruxmeier

Grenzanlage bei Tann in der Rhön im Jahr 1976: Von 1952 bis 1989 hinderte ein Überwachungssystem mit Sperranlagen Menschen daran, von Ost- nach Westdeutschland zu gelangen. Foto: Herbert Bruxmeier
Grenzanlage bei Tann in der Rhön im Jahr 1976: Von 1952 bis 1989 hinderte ein Überwachungssystem mit Sperranlagen Menschen daran, von Ost- nach Westdeutschland zu gelangen. Foto: Herbert Bruxmeier

Von 1946 bis 1990 war die Rhön mit dem westdeutschen Teil der Bundesländer Bayern und Hessen die innerdeutsche Grenze (umgangssprachlich oft die Zonengrenze) zum östliche Teil der Rhön auf dem Gebiet der DDR im jetzigen Bundesland Thüringen. Auf ca. 250 Kilometern verlief die deutsch-deutsche Grenze durch die Rhön. Von 1952 bis 1989 hinderte ein Überwachungssystem mit Sperrzone, Grenzmauer, Grenzzaun, Beobachtungstürme und Grenztruppen auch zeitweise mit Minen und Selbstschussanlage Menschen daran, von Ost- nach Westdeutschland zu gelangen. Auch für Einwohner der Städte und Ortschaften im Ulstertal war damit diese im DDR-Staatsjargon genannte „Staatsgrenze-West“ unpassierbar geworden. Schon 1952 hatte die DDR eine „Verordnung über Maßnahmen an der Demarkationslinie zwischen der Deutschen Demokratischen Republik und den westlichen Besatzungszonen Deutschlands“ erlassen und beschloss damit verstärkte Sicherungsmaßnahmen an der Grenze.

Stadt Fulda

Die Stadt Fulda ist seit 2024 offiziell „Tourismusort“. Foto: r3/hb

Ausgangsort für unsere spätere Spurensuche im Ulstertal ist die Barockstadt Fulda, seit 2024 offiziell anerkannter Tourismusort. Fulda ist eine Stadt in der Mitte Deutschlands, in zentrale Lage in Hessen und Deutschland. Sie liegt zwischen den Mittelgebirgen Rhön und Vogelsberg. Bekannt ist Fulda vor allem für ihre Geschichte, ihre architektonischen Schätze und ihre Bedeutung als religiöses Zentrum. Die Stadt spielte während der Zeit der deutschen Teilung eine wichtige Rolle an der innerdeutschen Grenze bzw. Zonengrenze. Fulda lag nicht weit der Grenze ( ca. 35 vom Stadtzentrum) zwischen der Bundesrepublik Deutschland (BRD) im Westen und der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) im Osten und war daher von strategischer Bedeutung, insbesondere für die NATO, da sie sich im sogenannten Fulda Gap befand, einem potenziellen Eintrittspunkt für eine sowjetische Invasion in Westdeutschland. Infolgedessen war Fulda ein wichtiger Standort für militärische Einheiten der NATO, insbesondere der US-Armee. Heute ist Fulda eine lebendige und charmante Stadt mit einer reichen Kultur und Geschichte, die Besucherinnen und Besucher aus aller Welt anzieht. Sie schätzen sie wegen der Atmosphäre, den zahlreichen kulturellen Veranstaltungen und einer malerischen Umgebung. Ausgezeichnet wurde die Stadt mit ihren touristischen Attraktionen vom Land Hessen mit dem Prädikat „Tourismusort“. Informationen erhalten Sie über (externer Link) www.fulda.de



Das Radom auf der Wasserkuppe

Das Radom auf der Wasserkuppe. Foto: r3/b

Unsere Suche startet aber nicht im Tal, sondern ganz oben auf der Wasserkuppe mit 950 m ü. NHN Höhe der höchste Berggipfel der Rhön und die höchste Erhebung im Bundesland Hessen. Die Wasserkuppe gilt aber nicht nur als „Berg der Flieger“, sondern erinnert auch mit dem Radom an die militärische Nutzung in den Jahren von 1945 bis 2004. Das Gebäude ist die letzte von einst fünf Antennenkuppeln. In der Zeit der Deutschen Teilung wurde von der Wasserkuppe aus der Luftraum im Gebiet des Warschauer Pakts überwacht, die innerdeutsche Grenze war nur fünf Kilometer entfernt. Heute gilt das 24 Meter hohe Radom, das 1991 errichtet wurde, als Landmarke und Kulturdenkmal und ist für die Öffentlichkeit zugänglich. Informationen über Öffnungszeiten erhält man über (externer Link) www.radom-wasserkuppe.de



Das Ulstertal

Mitten in der Hochrhön nicht weit von der Wasserkuppe fließt die Ulster im Biosphärenreservat Rhön. Der kleine Fluss hat seine Quelle im osthessischen Landkreis Fulda in der Hohen Rhön am Heidelstein und mündet nach 47,2 Kilometer bei Philippsthal in die Werra. Das obere Ulstertal beginnt als Naturraum in der Hochröhn, das mittlere Ulstertal reicht von Ehrenberg, Hilders und Tann und Geisa bis Pferdsdorf (Gemeinde Unterbreizbach), der kurze untere Ulstertalabschnitt reicht bis kurz vor die Mündung der Ulster bei Philippsthal in die Werra. Als Grenzfluss wurden die Ufer der Ulster zu DDR-Zeiten teilweise begradigt und ausgebaut.

Informationsstelle „ehemalige Grenze“ in Tann

Das Tanner Stadttor. Foto: r3/hb
Das Tanner Stadttor. Foto: r3/hb

Wir begeben uns auf unserer weiteren Spurensuche „Zonengrenze“ nach Tann. Die kleine Rhönstadt mit einer Einwohnerzahl von 4405 (Stand 2021) umfasst die historische Kernstadt und weitere 9 Stadtteile, deren Weiler und Gehöfte zugeordnet sind und liegt im mittleren Ulstertal im UNESCO Biosphärenreservat Rhön. Sie ragt mit ihrem Stadtgebiet halbinselförmig in den Freistaat Thüringen hinein. Natur, Historisches, Sehenswürdigkeiten, Museen und Ausstellungen, Gastronomie, Traditionen und Brauchtum: Die Stadt ist voll davon, man muss nur genau hinsehen. Was man aber beim Entdecken allerdings nicht vergessen sollte: einen Blick in die Vergangenheit. Während der innerdeutschen Teilung wurde die Stadt Tann von drei Seiten von DDR-Grenzanlagen umschlossen. 1987 eröffnete das Zollgrenzkommissariat eine „Informationsstelle Grenze zur DDR“. Seit der Grenzöffnung wird die Informationsstelle mit dem Zusatz „ehemalige Grenze“ weitergeführt.

Der heute 82-jährige Albert Zörgiebel steht dort, wo er auch nach seiner Pensionierung noch zahlreiche Einzelbesucher und Gruppen durch die „Informationsstelle Grenze zur ehemaligen DDR“ geführt hat. Foto: r3/hb

Lange Jahre begleitet der heute 82-jährige Albert Zörgiebel aus dem Stadtteil Günthers zahlreiche Gruppen durch die Informationsstelle. Sein Werdegang im öffentlichen Dienst begann er 1963 als Zollassistent und Verwaltungsangestellter. Seit 1973 war er bei der Stadt Tann beschäftig, seit 1986 bis zu seiner Pensionierung als Leiter des Fremdenverkehrsamtes. Zörgiebel hat das Geschehen und die Folgen im Kalten Krieg bewusst verfolgen können und auch die Grenzöffnungen bei Andenhausen/Theobaldshof und zwischen Günthers und Motzlar erlebt. Spannend seine Zeitzeugenerzählungen über die Grenzsituation der Region Tann/Rhön, die Aufgaben des bundesdeutschen Zollgrenzdienstes an der innerdeutschen Grenze sowie über die Zeit nach der Wiedervereinigung. Auf der Facebook-Seite des MusikCorps Tann (Rhön) e. V. spricht Albert Zörgiebel in einem Video über die Grenzöffnung im Dezember 1989 in Günthers (externer Link) www.facebook.com/MusikCorpsTann. Zu sehen sind in der Informationsstelle „ehemalige Grenze“ Exponate, Bildmaterialien und Pressebeiträge. Filme geben einen Einblick in die Grenzgeschichte. Anhand eines Geländemodells kann man sich über die ehemaligen Grenzsperranlagen informieren. Besichtigungszeiten erfährt man über die Website (externer Link) www.tann-roehn.de



Gedenkstätte Point Alpha – Haus an der Grenze

Im Haus an der Grenze ist die Ausstellung „Die Staatsgrenze der DDR im Kalten Krieg“ zu sehen. Foto: r3/hb

Von Tann (Rhön) zur Gedenkstätte Point Alpha an der Straße zwischen Geisa und Rasdorf sind es mit dem PKw nur 12,4 km. In 16 Minuten ist man an einem authentischen Raum des Kalten Krieges. In dieser Region an einem weit nach Westen liegenden Vorsprung um die Stadt Geisa wurde im Falle einer militärischen Ost-West Eskalation der Einfall der Roten Armee befürchtet (Fulda-Cap). Deshalb entstand zwischen Geisa (Thüringen) und Rasdorf (Hessen) der Point Alpha als Vorposten der NATO. Nur wenige Meter von diesem US-Camp bewachten auf östlicher Seite DDR-Grenzsoldaten bis 1990 die deutsch-deutsche Grenze. Heute ist der Komplex ein Freiluftmuseum und informiert über den ehemaligen US-Stützpunkt. Im Infozentrum „Haus an der Grenze“ ist die Ausstellung „Die Staatsgrenze der DDR im Kalten Krieg“ zu sehen. Weitere Informationen wie Öffnungszeiten und Eintrittspreise erhalten Sie auf (externer Link) www.pointalpha.com

Fazit: Ohne Frage, der Aufenthalt im Ulstertal in der Rhön kann Balsam für Leib und Seele sein. Man erkundet die Natur, entdeckt dörfliches Leben, bewundert historische Bauwerke oder startet Wander- und Radtouren: kurzum für alle etwas. Man kann aber auch Orte der Zeitgeschichte erleben und somit in die Realität der vergangenen deutschen Teilung eintauchen. Alte Grenzen sind oft unsichtbar geworden, die Zeichen der Teilung oft kaum noch zu finden. Man muss sie also suchen und dort, wo sie noch präsent sind, kann man sie besuchen. Einen besonderen Dank an Albert Zörgiebel für das Informationsgespräch über die Informationsstelle „ehemalige Grenze“ in Tann/Rhön.


Nur ein Zaun? In Wahrheit ein lebensgefählicher Trugschluss. DDR - Grenzanlagen bei Tann (Rhön) 1975. Foto. Herbert Bruxmeier
Nur ein Zaun? In Wahrheit ein lebensgefählicher Trugschluss. DDR – Grenzanlagen bei Tann (Rhön) 1975. Foto. Herbert Bruxmeier
Innerdeutsche Grenze bei Tann (Rhön) 1975. Foto: Herbert Bruxmeier

Verwendete Quellen:

  • Flyer “ Die Rhön Grenzenlos Erleben
  • Masterplan ZukunftWohnen & Leben in Tann Januar 2020
  • Website: www.wir-waren-so-frei.de
  • Website: www.tann-rhoen.de
  • Website: www.radomwasserkuppe.de
  • Osthessen News
  • rhönführer.de
  • Website: www.unterbreizbach.de
  • Broschüre „Faszination Ulstertal
  • wikipedia.org/wiki/Wasserkuppe
  • wikipedia.org/wiki/Fulda
  • www.lagis-hessen.de
  • www.stasi-unterlagen-archiv.de
  • Zeitzeugengespräch mit Albert Zörgiebel, Tann

Regio drei/2024