Kunst

Trier: Stadtarchiv präsentiert zeitkritische Zeichnungen zur 1848er Revolution

Am 18. Mai 1848 tagte das erste gesamtdeutschen Parlament in der Frankfurter Paulskirche, um über eine freiheitliche Verfassung und die Bildung eines deutschen Nationalstaats zu beraten. Das Stadtarchiv in Trier wirft einen Blick auf die demokratische Entwicklung und widmet dieser Epoche bis 28. Mai die Ausstellung „Kritischer Geist auf Papier – Druckgrafik zu Vormärz und Deutscher Revolution 1848/49 aus dem Stadtarchiv“.

Trier. Mit der Entdeckung der bekannten Welt ab der frühen Neuzeit wurde es an Herrscherhöfen und im Adel zunehmend Mode, sich exotische Vögel zu halten. Seit der Eroberung der Kanarischen Inseln durch die Spanier im 15. Jahrhundert brachte man die gleichnamige Vogelart nach Europa, wo sich die Tiere rasch großer Beliebtheit erfreuten und außerhalb ihres angestammten Lebensraums erfolgreich gezüchtet wurden. Ab dem 19. Jahrhundert hielt der unermüdlich zwitschernde Vogel auch vermehrt Einzug in biedermeierliche Wohnstuben. Es wundert daher nicht, dass er im Sinne der belehrenden Funktion einer Fabel auch bald von Karikaturisten aufgegriffen wurde.

Die Karikatur war im restaurativen polizeistaatlichen Überwachungssystem, das seit dem Wiener Kongress 1815 in den deutschen Ländern herrschte, zum probaten Kommunikationsmittel geworden, um verklausuliert Missstände anzuprangern und Kritik zu üben. Durch den Einsatz von Tiermotiven versuchten die Zeichner und Verleger, die Inhalte zu verharmlosen und so die strenge Zensur zu umgehen. Der Bestand zu politischen Grafik im Stadtarchiv umfasst über 200 Blatt solcher Karikaturen, die größtenteils zwischen 1820 und 1850 entstanden, also aus der Zeitspanne, die als Vormärz und Deutsche Revolution bekannt ist.

Die teilkolorierte Kreidelithographie nach einer Zeichnung von Alfons von Boddien stammt aus dem Revolutionsjahr 1848. Bildquelle: Presseamt Trier.

Das als Objekt des Monats vorgestellte Blatt „Der Reichskanarien-Vogel“ stammt indes aus einer Zeit, als die Zensur aufgehoben und die Pressefreiheit in allen Bundesstaaten auf Druck der Öffentlichkeit von der Bundesversammlung am 3. März 1848 eingeführt worden war. Der Spott des Zeichners Alfons von Boddien richtete sich gegen den Abgeordneten Gustav Georg Rösler, einen Schulmeister aus dem schlesischen Kreis Oels, der für seine langweiligen, wenig gehaltvollen Reden nach der Geschäftsordnung bekannt war. Er sitzt als aufgeputzter Vogel personifiziert auf dem Rand der Rednerkanzel und „Singt wenig – spricht viel – und lebt von Diäten“, wie auf dem Untertitel zu lesen ist.Die Eigenarten und Schrullen von Parlamentariern wurden in vielen Blättern kritisch aufs Korn genommen und in großen Druckauflagen verbreitet. Das Unverständnis über zu hohe Diäten bei vermeintlich geringer Arbeitsleistung kennt man ja auch aus der heutigen Satire. Damals hatte man jedoch einen besonders hohen Anspruch an die ersten demokratisch gewählten Volksvertreter.

Verwendte Quellen

  • Stadt Trier, Pressemitteilung